Gegen Kinderarbeit

Kinder aus dem Londoner East End (nach 1900!)

Obwohl es aus heutiger Sicht schwer zu glauben sein mag, daß Kinder permanent schlecht behandelt werden, wie in 'Die kleine Prinzessin Sara', ist es doch eine bekannte Tatsache, daß die Situation der Kinder der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert oft noch viel schlechter war, besonders in der ersten Hälfte. Dies war nicht nur in Großbritannien so, sondern fast überall in Europa, obwohl Großbritannien wohl das passendste Beispiel ist, da es der Geburtsort der Industriellen Revolution war.

21:15 Auf dieser Seite will ich einige Informationen über den geschichtlichen Hintergrund der Kinderarbeit im 19. Jahrhundert und auch kurz über die heutige Situation liefern. Ich habe auch versucht, mir eine Vorstellung von der psychologischen Seite des Problems zu machen. Am Ende dieser Seite befinden sich zwei Links, die mehr über Kinderarbeit in der Gegenwart verraten.

Geschichtlicher Hintergrund

22:30 Der Beginn des Industriezeitalters brachte eine neue soziale Kluft in der Gesellschaft mit sich. Auf der einen Seite die reichen Unternehmer, auf der anderen Seite die Arbeiterklasse, unter ihnen die ärmsten der Armen. Wie es bei allen technologischen Innovationen der Fall ist, folgt auf technologischen Fortschritt nur sehr langsam ein sozialer Fortschritt. In diesem Fall mußten noch viele Menschen ein Leben in Armut mit vielen Härten durchleiden, bis endlich ein besseres Verständnis für die sozialen Probleme, die unkontrollierter Kapitalismus mit sich bringt, für soziale Reformen und eine faire Chance für alle gesorgt hat. Aber Anfang des 19. Jahrhunderts war die Arbeiterklasse fast vollständig von ihren Arbeitgebern abhängig dadurch, daß sie sich irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen mußten. Und die Kinder waren keine Ausnahme.

6:40 Kinder verichteten alle Arten von Arbeiten. Sie arbeiteten in Fabriken, in Baumwollspinnereien und Webereien, auf Farmen, als Hilfskräfte und Dienstboten, in Manufakturen und sogar in Kohlengruben und Minen. Viele Kinder verkauften auch allerlei Dinge auf der Straße. Fast jede Arbeit war mühsam und verlief in eintöniger Monotonie weil Kinder natürlich noch nicht in der Lage waren, anspruchsvollere Arbeiten zu übernehmen. Manche Arbeiten konnten auch wegen ihrer geringeren Körpergröße nur von Kindern übernommen werden. Die Länge eines Arbeitstages hing vom jeweiligen Arbeitgeber ab. Aber ein 12 Stunden-Tag war nichts außergewöhnliches. In mehreren Fällen ging es sogar hinauf bis 15 Stunden Arbeit am Tag. Die Pausen und eventuell die Verpflegung waren ebenfalls von den Arbeitgebern abhängig. Das Arbeitsleben begann schon in einem frühen Alter, gewöhnlich mit 8 oder 9 Jahren. Aber oft fingen Kinder schon mit 6 Jahren oder noch früher an zu arbeiten.

14:15 Die Regierung hat mehrere Schritte unternommen, um die Situation zu verbessern. Mehrere verschiedene Gesetze wurden vom Parlament verabschiedet, zum Beispiel die zwei Factory Acts 1819 und 1833, der Gangs Act 1867 und der Education Act 1876. Die Grundintention war es zu verhindern, daß Kinder unter gewissen Altersgrenzen schon arbeiten müssen. Zum Beispiel verhängte der Factory Act von 1819 ein Arbeitsverbot für Kinder unter 9(!) Jahren in Fabriken und Baumwollspinnereien. Ebenso wurde ein größeres Gewicht auf Schulbildung gelegt, besonders in der späteren Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es wurde erkannt, daß Bildung ein geeigneterer Weg ist, Kinder auf ihr späteres Leben vorzubereiten. Nicht nur die Regierung, sondern auch einige Privatpersonen wurden sich mehr und mehr des Problems bewußt. Ein gutes Beispiel ist die Liverpool Society for the Prevention of Cruelty to Children, die 1883 gegründet wurde und gegen übermäßig harte Bestrafungen am Arbeitsplatz wie regelmäße Prügel und das Tauchen in kaltes Wasser sowie gegen Eltern kämpften, die ihre Kinder mißhandelten. Die Regierung reagierte im Jahre 1889 und verabschiedete den Prevention of Cruelty to Children Act.
Diese Gesetze waren am Anfang nicht allzu erfolgreich. Sie waren schwer zu überwachen unf often konnten Fabrikbesitzer sich über sie hinwegsetzen. Aber im Laufe der Zeit zeigten sie ihre Wirkung und die Anzahl der arbeitenden Kinder ging langsam aber stetig zurück. Vieles verlagerte sich auch auf einfachere Arbeiten. Einst haben fast alle Mädchen genauso hart wie ihre männlichen Kollegen in Fabriken und Minen arbeiten müssen. Im späten 19. Jahrhundert arbeiteten mehr Mädchen in Haushalten statt in der Industrie. Und Sara und Becky waren zwei von ihnen.

Psychologischer Hintergrund

Genauere Informationen über den Alltag der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert sind sehr dünn gesät. Das folgende ist eine Zusammenfassung der damaligen Situation, wie ich sie verstehe, basierend auf den wenigen Informationen, die ich habe. Es gibt im Grunde zwei wichtige psychologische Aspekte: die Kinder selbst und ihre Herren genauso wie der Rest der Oberklasse.

10:35 Die armen Familien waren finanziell auf die Unterstützung durch die Arbeitskraft ihrer Kinder angewiesen. Dies hat zur Folge, daß diese fast ihre ganze Kindheit am Arbeitsplatz verbracht haben. Auf lange Sicht ist das ein größerer Verlust als die verlorengegange finanzielle Unterstützung, wenn die Kinder eine normale Kindheit durchlebt hätten, wie wir sie heute kennen. Im Prozeß des Aufwachsen eines Kindes spielen seine Erfahrungen und seine soziale Umgebung eine Schlüsselrolle. Sie sind wichtig, damit größere Zusammenhänge klar werden und das Kind soziale Kompetenz erlangen kann. Aber was, wenn sich diese Erfahrungen auf das monotone Durchführen von einigen einfachen Handgriffen unter den mißtrauischen Augen eines Aufsehers beschränken? Wenn die meisten Kinder aufwachsen, ohne später auch anspruchsvollere Aufgaben bewältigen zu können, und sie keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft entwickeln, dann ist es so gut wie unmöglich, den Teufelskreis aus Armut und Mangel an Bildung zu durchbrechen. Dienstmädchen wie Sara und Becky waren deshalb noch vergleichsweise besser dran, als die Kinbder, die in Fabriken und an ähnlichen Orten gearbeitet haben.
Mit steigender Etablierung der Schulbildung hat sich die Situation im Laufe der Zeit sehr gebessert. Vereinzelte Arbeitgeber haben sogar eigene Schulen eingerichtet, die für die Bildung der in der Firma beschäftigten Kinder verantwortlich waren.

6:00 Aber gewöhnlich machten sich die Firmenbesitzer nicht viel aus diesen sozialen Problemen. Die Kinder waren nichts weiter als eine weitere Quelle an billiger Arbeitskraft. Sonst waren sie von relativ geringem Interesse, was der Grund für ein anderes ernstes Problem war. Die Arbeitgeber waren an einer konstanten und zuverlässigen Arbeitsleistung für ihr Geld interessiert, wie man das von einem erwachsenen Arbeiter erwarten kann. Aber natürlich kann man so etwas nicht von einem Kind verlangen. Also griffen sie auf zahlreiche disziplinierende Maßnahmen zurück. Genau diese waren für die manchmal unerträglichen Arbeitsbedingungen der Kinder verantwortlich. Bestrafungen waren natürlich ein Teil davon und Leistungssolls, mit drohenden Konsequenzen, falls diese nicht erfüllt werden.
Die (reiche) Öffentlichkeit war ebenfalls zu abgekapselt von der Unterklasse, so daß sie nur eine sehr rudimentäre Vorstellung vom Leben in den Armenvierteln wie dem Londoner East End hatten außer, daß diese Leute eben arm waren. Das Interesse für die Probleme der notleidenden Bevölkerung wuchs nur langsam, und begann mit einigen wenigen Einzelpersonen. Ein gutes Beispiel für den langsamen Fortschritt auf diesem Gebiet ist der oben erwähnte Prevention of Cruelty to Children Act, der erst viele Jahre nach einem sehr ähnlichen Gesetz verabschiedet wurde, das Tiere schützte. Aber die höheren Standards heute haben ihre Wurzeln in den ersten kleinen Schritten in die richtige Richtung von damals.


Quellen

Ivy Pinchbeck, Margaret Hewitt
Children in English Society Vol. 2
London, Routledge & Kegan Paul, 1973
ISBN 0-7100-7580-4

Thomas E. Jordan
Victorian Childhood
State University of New York Press, Abby, 1987
ISBN 0-88706-544-9

James Walvin
A Child's world
Penguin Book Ltd., 1982
ISBN 0-1402-238-9 (???)

Leider konnte ich dieses hier nicht bekommen:

John Brown
A memoir of Robert Blincoe
Firle Sussex, Caliban Books, 1977
ISBN 0904573052

Die heutige Situation

Das Problem der Kinderarbeit existiert noch immer. Nicht unbedingt in den großen Industrienationen, aber in vielen anderen Ländern wie zum Beispiel ironischerweise in Indien oder mehreren asiatischen und afrikanischen Ländern. Die geschätzte Anzahl von ganztägig arbeitenden Kindern beläuft sich auf um die 120 Millionen. Die begleitenden Umstände sind in etwa die gleichen, wie oben beschrieben mit einigen neuen Problemen wie Kinderprostitution. Die folgenden zwei Links bieten weitere nützliche Informationen über Kinderarbeit heute.

UNICEF

Die UNICEF hat mehrere Papiere zum Thema Kinderarbeit veröffentlicht. Alle sind frei auf deren WWW-Seite im normalen Textformat oder im PDF-Format verfügbar. Dort gibt es auch ein interaktives Quiz, mit dem man sein Wissen auf diesem Gebiet testen kann.

IPEC

Die International Labour Organization (ILO) befaßßt sich in ihrer Abteilung IPEC (International Programme on the Elimination of Child Labour) mit der Problematik der Kinderarbeit und ihrer Bekämpfung. Auf dieser Seite gibt es mehr Informationen.


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Taro Rehrl (e-mail), 1997-12-28, 2002-08-17